Schafe im Regen

Schafe hüten, von Schafen lernen

Wie fühlt es sich an den Alltag mit einer Schafherde zu verbringen? Drei ehrenamtliche "Hilfsschäferinnen" der Biologischen Station wollten es wissen und schildern hier ihre ganz persönlichen Erlebnisse:


Bei Wind und Wetter

„Die Schäferin Nadine beim Hüten ihrer Herde zu begleiten – das war für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Der Alltag einer Schäferin ist so ganz anders als meiner und nicht so romantisch, wie man ihn sich vielleicht vorstellt. Die Herde zusammenhalten, unangeleinte Hunde von ihr fernhalten und bei Wind und Wetter bei der Herde bleiben – das sind ihre alltäglichen Herausforderungen. Eine Freude war es zu sehen, wie gut die Hunde der Schäferin mit ihr arbeiten und ebenso mit der Herde, die aus jungen und älteren Schafen sowie aus kleinen und großen Ziegen besteht. Dazu zählen auch das Schaf Lottie und die Ziege Schneewittchen. Besonders ins Herz geschlossen habe ich das gerade mal zwei Wochen alte Lämmchen, das tapfer mit der Herde mitlief. Dass ehrenamtliche Mitarbeit so bereichernd sein kann, hätte ich nicht gedacht. Mein Dank dafür geht an die Biologische Station, die mir solch schöne und interessante Erfahrungen ermöglicht hat und auch an Nadine, von der ich viel Interessantes über Schafe, Ziegen und Hunde erfahren habe.

Christel M.


Freude am Kontakt mit Menschen und Tieren

Bereits Ende Mai, Anfang Juni hatte ich beim ersten Schafbeweidungsgang mitgewirkt. Im Rahmen einer Besucherbefragung haben wir ‒ haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der Biostation ‒ viele Informationen zum Verhalten, zu den Wünschen und Einstellungen der Besucher der Hildener Heide gewonnen.

Es ist sehr schön zu sehen, dass einige der damals diskutierten Punkte jetzt bereits umgesetzt werden konnten. Dazu gehören die temporären Wegesperrungen, um den Schafen eine möglichst konfliktfreie Beweidung des Sandbergs zu ermöglichen. Die Schäferin hat im Rahmen einer Veranstaltung interessierten Besuchern ihre Arbeit vorgestellt. Meine Aufgabe bestand auch darin, die Besucher an den Wegesperrungen über den Hintergrund dieser Aktion zu informieren und Hundehalter zu bitten, ihre Hunde anzuleinen und den direkten Kontakt zur Schafherde zu meiden. 

Diese tolle Veranstaltung war für mich ein echtes Highlight des Beweidungsdurchgangs, wenn man live miterlebt, mit wieviel Herzblut und Engagement die Wanderschäferin von ihrer Arbeit erzählt und damit viele kleine und große Besucher begeistern konnte. Rund 450 friedlich grasende Schafe und Ziegen zu erleben und mit ihnen Zeit in der Natur zu verbringen, war ein unglaubliches Erlebnis. Mir hat es mindestens genauso viel Freude gemacht, mit vielen Menschen in Kontakt zu kommen und sie ein wenig mehr für den Naturschutz in der Hildener Heide zu sensibilisieren.

Sandra H.


Tiergesundheit hat Priorität

Frühe Sonnenstrahlen streifen über die Weide. Noch liegen die meisten Schafe entspannt im Pferch und bewegen rhythmisch ihre Kaumuskulatur. Ein paar Ziegen staksen träge herum. Außer entferntem Autorauschen ist nichts zu hören. 

Ein friedlicher Anblick. Und doch lauern in dieser scheinbaren Idylle schon erste Probleme und Störfaktoren. Als die Schäferin kommt, begutachtet sie zunächst sorgfältig ihre inzwischen munteren Schützlinge. Im Gewirr der jetzt dicht gedrängten Herde entdeckt ihr geschultes Auge sofort Unregelmäßigkeiten: Zwei Schafe humpeln leicht, eine Ziege wirkt schlapp. Nach kleiner Hufreparatur müssen die beiden Schafe eine Antibiotikum-Spritze und eine Desinfektion über sich ergehen lassen, können aber wieder befreit auf allen Vieren laufen. Bei der offensichtlich leidenden, laut klagenden Ziege diagnostiziert die Schäferin eine schmerzhafte Entzündung am Euter, die sofort einer zeitintensiven Behandlung mit besänftigendem Zuspruch bedarf. Tiergesundheit hat Priorität!

Erst nach dieser fürsorglichen Morgensichtung verlässt die Herde mit der beruhigten Schäferin und ihren arbeitshungrigen Hunden den Pferch. Die rasant wandernde, staub aufwirbelnde Herde, Leitziegenbock Brownie vorneweg, die Rufe der Schäferin und ihre mal zurückhaltende, mal spurtende Chefhütehündin Motte -  welch ein imposanter Eindruck! Auf der Zielwiese angekommen, widmet sich die Herde sofort wieder ihrem Tagesgeschäft: fressen, stutzen, verbeißen, eben wichtige Landschaftspflege. Alle anderen sind jetzt im wachsamen Dauereinsatz. Der Blick der Schäferin kreist unentwegt über die Herde, Motte und ihre Nachwuchskolleginnen beobachten mit je einem Auge Herde und Schäferin und lechzen nach einem Auftrag. 

Derweil widmen wir Ehrenamtlichen uns unserer Hauptaufgabe im Rahmen des Beweidungsganges: der Begegnung bzw. dem Miteinander von Schafen und Hunden. Die beliebte Hildener Heide ist in vielen Abschnitten als Naturschutzgebiet mit klaren Verhaltensregeln ausgewiesen. Außerdem trägt sie das informelle Gütezeichen einer Hundewohlfühloase, was etliche Hundehalter*innen mit dem Recht auf Leinenbefreiung gleichsetzen. Folglich erspähen wir auf den angrenzenden Wegen ‒ schon in Sichtweite der Schafe ‒  die ersten fröhlich-befreiten Hunde. Einige werden bei Erkennen der Schafe schnell angeleint, ein paar erst nach unserer freundlichen Ansprache und Bitte bzw. Aufforderung.

Es überrascht, dass anscheinend alle hier laufenden Hunde brav und extrem gut erzogen sind, nur mit Herrchen oder anderen Hunden spielen wollen, manche wegen Alter und Arthrose nur noch schlecht zurechtkommen oder aber an Schafen gar nicht interessiert sind. Doch wir bleiben klar und bestimmt, gab und gibt es doch immer wieder unerfreuliche, ja böse Vorfälle: Hunde, die ihr Herrchen austricksen und unvermittelt in die Herde jagen, durchaus mal ein Schaf reißen oder ‒ so auch diesmal ‒ die Herde aufmischen, so dass die Tiere ihre Fressruhe verlieren.

Um es vorweg zu nehmen: Am Ende dieses Herbst-Beweidungsganges stellte die Schäferin allen Beteiligten ein gutes Zeugnis für den Dialog aus. Die intensive Aufklärung führte zu größerem Wissen und Verständnis. Beide Seiten gingen aufeinander zu und lernten dazu. Durch den respektvollen Austausch von Ehrenamtlichen und Hundehalter*innen konnte der "Hotspot" Hildener Heide diesmal entschärft werden ‒ zur Freude der Aktiven und vor allem zum Wohle der Herde.

Ein ereignisreicher Tag in der Hildener Heide geht zu Ende. Vieles ‒ und nicht nur Schönes ‒ ist passiert. Beim Rücktrieb muss noch ein rückenkrankes Schaf versorgt und ins Auto verfrachtet werden. Die Herde kehrt in den Pferch zurück und kommt allmählich zur Ruhe. Ein friedliches Bild.

Zum guten Schluss: Großer Respekt und Dank gebührt "unserer" Schäferin Nadine Peiffer: Unermüdlich, freundlich und geduldig beantwortete sie all unsere Fragen und die der Passanten. Mit Herzenswärme, Engagement und Sachkunde informierte sie über ihre Tiere und ihren Traumberuf, über Tierwohl und das Training ihrer Hütehunde, über Naturschutz und Landschaftspflege, Regionales und Rechtliches... So entstand nach einer spannenden Woche ein facettenreiches Bild über den Alltag einer Wanderschäferin (Chapeau!) und das Leben ihrer Schafe, Ziegen und tollen Hütehunde. Dank auch an die Biologische Station Haus Bürgel, die diese einmalige Erfahrung erst ermöglichte.

Angelika S.


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